Der eigentliche Widerstand gegen Veränderungen wird nicht offen geführt, sondern diskret in der Normalität des Alltags. Mit solchen Menschen versuchen etwas besser zu machen ist eine harte und undankbare Arbeit.
Die Digitalisierung und Industrie4.0 erwarten von den Unternehmen ständig Höchstleistungen ohne eine Aufwärmphase. Die Folge: Sich mehr zuzutrauen als eigentlich möglich ist - also etwas zu versuchen was man eigentlich noch nicht kann und daran zu glauben.
Viele Menschen in Unternehmen ticken noch anders. Denen geht alles viel zu schnell. Früher gab es die Tüftler. Der Unterschied: Heute sitzen Ingenieure, Konstrukteure und Designer nicht alleine mit einer Aufgabe vor einem Bildschirm, sondern sind vernetzt durch eine digitale Welt mit internationalen Teams. Spezialisten untereinander verknüpft.
Was ist gleich geblieben von früher? Die gemeinsamen Gesprächsrunden unter den Konstrukteuren. Jedoch erfordern die unterschiedlichen Standorte dadurch langwierige Terminabstimmungen. Die Spontanität, der Geistesblitz muss einem organisiertem Tun und Handeln weichen. Dass das Team in mitgebrachten Stühlen mal schnell bei einem Kollegen vorbeischaut, das ist vorbei. In der einen Hand die Kaffeetasse, der anderen den Bleistift.
Die Gesichter auf den Bildschirmen heute erzeugen nicht diese persönliche Nähe. Der Kontaktaustausch aus Sympathie, die Gesten im Gespräch auf der gleichen Wellenlänge, als "Leidensgenosse" aus ähnlichen technischen Problemen sich zu outen, das passiert nicht mehr. Das Pockerface gegenüber dem Konkurrenten bestimmt die Gefühlswelt.
Ich hatte noch das Glück, dass mich nach technischen Durchsprachen und zusammenrollen der DIN AO-Blätter, das eine und andere mal, ein "Senior" aus der Runde ansprach. "Haben Sie noch etwas Zeit?" Und dann aus seinem Nähkästchen plauderte. Nicht nur Tipps gab zu dem aktuellen Problem. Sondern plötzlich über Erfahrungen, Scheitern, seine Sichtweise zu Lösungsansätzen, ungeschminkt, gesprochen wurde. Wissen auszutauschen und weiterzugeben, einfach durch ein sich gegenseitig wahrzunehmen, Sympathie und Respekt entstanden sind.
Oft entwickelten sich daraus Kontakte die auch nach dem Renteneintritt des Kollegen weiter Bestand haben oder bis zu dessen Tod hatten. Die Art, wie Wissen früher weitergegeben wurde, wird von den digitalen Kollegen belächelt und unterschätzt. Kreativität ist nicht wie selbstverständlich, wenn es um Neues geht, in der Routine von "Googlen" ableitbar. So banal es klingt. Wer so arbeitet tritt ständig auf die Bremse.
In diesem Stadium ist etwas völlig aus der Mode gekommenes, Nachdenken ohne digitale Ablenkung, damit die Dinge in die richtige Richtung laufen, eine Alternative. Ideen sammeln durch gleichzeitig skizzieren und zuhören. Wer hat schon bei Meetings zugehört und nebenbei etwas rumgekritzelt, nicht skizziert? Eine Skizze für das Auge bildet den kreativen Anfang. Die so zu Papier gebrachten Ideen sind dann eine Basis für alle. Ein Auslöser für eine neue Orientierung in der Aufgabe.
Durch diese intensive Beschäftigung verändert sich der persönliche Bezugsrahmen in seinem Fachgebiet. Es beginnt der Blick über den Tellerrand. Skizzen und perspektivische Ansichten lösen leichter eine spielerische Vorstellungskraft aus. Das Denken, das Überlegen und Verwerfen verdrängt festgefahrene Vorstellungen. Der Input ermöglicht es, plötzlich völlig neue Verknüpfungen zu bilden.
Zeichnen und Skizzieren kann man lernen und es fördert die Kreativität. Etwas mit dem Bleistift auf Papier zu bringen erfordert sich mit der Aufgabe, der Idee zu beschäftigen. Sich etwas im Geiste vorzustellen. Aus der Vorstellung mit dem Stift zu übertragen, ohne alle Details zu kennen. Der Einwand: Ich kann nicht zeichnen, ist kein K.o.-Kriterium.
Zum Einen: Es gibt umfangreiche Literatur als Anregung und für Übungen. Wem das zu langwierig ist, der kann in zweitägigen Einführungsseminaren sich eine Basis zu skizzieren für technische Aufgaben, für Designideen und perspektivische Ansichten aneignen. Mit etwas Fleiss ganz bestimmt.
Zum anderen: Aus dem oberflächlichen, unscharfen Technik-Blick wird dann stetig mehr und mehr ein Blick auf das Wesentliche. Weiter zu üben vorausgesetzt.
Ein Gang über eine Messe wird diese Entwicklung bestätigen. Zeichnen und skizzieren ist eine vernachlässigte Herangehensweise an Aufgaben. Ein kreatives Ausdrucksmittel, dem elektronische Hilfsmittel noch mit nichts gleichwertigem begegnen können.
Für mich ist skizzieren ein trainieren von Kreativität. Fantasie und Striche können der Beginn von brillanten Gedanken sein. Und es ist nicht lange her. Für meine Frau sollte ich auf dem Heimweg eine bestimmte Nudelsorte mitbringen. Auf meine Frage: Wie sehen die Nudeln aus - gab sie mir ein kleines Blatt mit einer Skizze darauf. Die richtige Sorte zu finden war kein Problem. Skizzieren ist nicht albern - Talent hilfreich - aber nur wer versucht Neues zu tun wird kreativ.